MGV 1885 Harmonie Görzhain

Chronik

"Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit, und alle Welt vergehet mit ihrer Herrlichkeit."

 

 

Mit diesen Worten von Mathias Claudius beginnt die Motette von Hans‑Georg Nägeli, welche der MGV 1885 "Harmonie" den Gästen seines Sängerfestes zum 100jährigen Vereinsjubiläum als eines von vielen Liedern zu Gehör brachte. Besinnen wir uns auf diese Worte! Hier wird menschliche Vergänglichkeit zum Ausdruck gebracht.

 

 Doch in dieser kleinen Zeit ihres Lebens sind die Menschen nicht untätig. Mit Gottes Hilfe schaffen sie Werte, die ihr eigenes Leben überdauern; seien es materielle Dinge oder aber die Verwirklichung von Ideen, die von Generation zu Generation übertragen werden und die Zeiten überdauern. Sie geben sich Ideale, entwickeln Wertmaßstäbe und finden Gemeinsamkeiten untereinander. Diese Gemeinsamkeiten ‑ gleiche Interessen, gleiche Fähigkeiten, gleiche Ideale ‑ sind schon immer Ursprung gewesen für Zusammenschlüsse von Menschen, für das gemeinsame Streben nach etwas Höherem und Dauerhaftem.

 

 

 

Auch zu Fastnacht im Februar 1885 fanden sich Menschen zusammen, die von diesem Geist beseelt waren. Sie saßen in Bierwirths Wirtsstube in Görzhain und verabredeten sich für einen Abend der folgenden Woche zu einem Treffen im Schulsaal von Görzhain. Es sollte über die Einführung eines regelmäßigen Singabends unter Stabführung des damaligen Lehrers Justus Ferreau gesprochen werden. Lehrer Ferreau selbst war es, der hierzu den Anstoß gegeben hatte.

 

Was war alledem vorausgegangen?

 

Zu Neujahr 1845 hatte Ferreau den Schuldienst in Görzhain übernommen. 52 Schüler sollten nun unter seiner Leitung alle nötigen Kenntnisse für einen erfolgreichen Schulabschluss erhalten.

 

Schon zu Ostern verabschiedeten sich die ältesten von ihnen wieder, die Entlassschüler des 8. Schuljahres. Unter ihnen war auch Barbara Elisabeth Ritter. Sie wurde 1852 Ferreaus Frau. Es entwickelte sich ein gutes und freundschaftliches Verhältnis zwischen den Görzhainern und ihrem Dorfschulmeister.

 

Als der Loshäuser Schulmeister und Orgelbauer August Röth im Jahre 1864 auch für die Görzhainer Kirche eine Orgel baute, übernahm Lehrer Ferreau den Organistendienst. Unter anderem bedingt durch den guten Kirchenbesuch der damaligen Zeit zeigt sich hier bald die Singfreudigkeit der Görzhainer Männer und Frauen. Ferreau legte aber auch Wert auf außerkirchliches Singen. Viele Volkslieder wurden in der Schule eingeübt.

 

Und so kam es, dass Ferreau, als er zu Fastnacht 1885 im Wirtshaus saß und den anwesenden Männern beim gelegentlichen Gesang zuhörte, sich zu ihnen setzte, um mit ihnen über das Singen zu reden und sie für einen Abend der folgenden Woche einzuladen. Es erschienen an diesem Abend 20 Männer, die sich bereiterklärten, nun regelmäßig an einem Singabend teilzunehmen.

 

An dieser Stelle seien die Namen der Gründungsmitglieder des Männergesangvereins 1885 Görzhain genannt:

 

Lehrer Justus Ferreau, Chorleiter, geb. 11.4.1825, gest. 1.1.1913

 

 

 

Konrad Lippert                                                1839      1917

Simon Lippert                                                 1843      1905

Johannes Schreiber                                     1854      1944

Johann Heinrich Boss                                 1860      1939

Johannes Billing                                            1859      1944

Heinrich Fink                                                   1865      1948

Dietrich Most                                                   1842      1893

Georg Hahn                                                      1863      1946

Heinrich Diehl                                                 1849      1932

Kaspar Euler                                                    1867      1910

Johann Jost Euler                                        1831      1893

Johann Heinrich Maurer                            1855      1937

Andreas Heinrich Schwalm                      1842      1914

Konrad Schwalm                                          1867      1950

Johann Jost Koch                                        1833      1885

Georg Roth                                                      1838      1916

Heinrich Dietz                                                1853      1911

Johannes Lang                                             1843      1909

Johannes Schwab                                       1857      1912

Adam Richhardt                                           1839      1914

 

Die ersten Lieder, die der neugegründete Gesangverein einübte, wurden am 13. März 1885 beim Handschlag (heute: Verlobung) von Ferreaus Nichte Maria Katharina Ritter und Valentin Schäfer vor Ritters Haus gesungen. Es wurden an regelmäßigen Singabenden Gesangbuchlieder, aber auch viele Volkslieder vierstimmig eingeübt.

 

Am 17. Oktober 1888 fand eine amtliche Lehrerkonferenz in Neukirchen statt. Erstes Thema war: Die Schule hat die Aufgabe, den Volksgesang zu pflegen und dabei mitzuwirken, dass unser Volk wieder ein singendes Volk werde und bleibe. Lehrer Ferreau hatte das in Görzhain schon längst praktiziert.

 

Durch Verfügung des Königlichen Consistoriums zu Cassel vom 13. Dezember 1889 wurde Herrn Lehrer Ferreau der Kantor‑Titel verliehen. Die Auszeichnung erfolgte unter sehr anerkennenden Worten über seine Leistungen und stets würdiges Verhalten im Dienste der Kirche. Seine Fähigkeiten im Schuldienst werden unterstrichen durch die Tatsache, dass 8 seiner Görzhainer Schüler wie er den Lehrerberuf ergriffen.

 

In den Jahren nach 1890 wurde die Arbeit in der hiesigen Gegend knapp, und viele Männer fuhren nach Westfalen, um dort mehr zu verdienen. In dieser Zeit war die Tätigkeit des Gesangvereins zum ersten Mal unterbrochen. In der Schule jedoch wurde weitergesungen.

 

Am 1. Schultag nach Neujahr 1895 wurde Kantor Ferreau von der Regierung für 50 Jahre Lehrtätigkeit ausgezeichnet. Mit Überschreiten des 70. Lebensjahres sah er sein Wirken vollendet. Am 1. Mai 1898 wurde er in den Ruhestand versetzt, nach einer Lehrtätigkeit von über 52 Jahren in Görzhain.

 

Der Schulunterricht wurde vertretungsweise fortgeführt, unter anderem durch Lehrer Strack aus Ottrau. Am 16. Oktober 1900 schließlich wurde die Schulstelle in Görzhain an Lehrer Heinrich Geißel, geb. am 12.3.1876 in Machtlos, übertragen.

 

Lehrer Geißel ließ auf Anregung von Kantor Ferreau den Gesang wieder aufleben. Er sang mit Schulkindern und Erwachsenen am Heilig‑Abend 1901 Weichnachtslieder beim ersten brennenden Weichnachtsbaum in der Kirche von Görzhain.

 

Der junge Lehrer Geißel leitete den Verein, aber junge Männer als Nachwuchs gab es nicht, denn die meisten von ihnen wurden mit 20 Jahren Soldat. Kriegervereine blühten auf. Lehrer Geißel aber blieb dem Gesang treu und sang mit seiner einklassigen Volksschule und sangeslustigen Männern und Frauen aus dem Dorf an besonderen Festtagen wie Weihnachten, Ostern, Konfirmation, Trauungen und bei allen Beerdigungen. Auch in den schweren Jahren des Ersten Weltkrieges wurde diese Tradition fortgeführt.

 

Zu einer Unterbrechung der Singtätigkeit kam es, als am 14. April 1920 Geißels Frau Berta starb. Erst im Frühjahr 1921 wurde wieder unter der Leitung von Lehrer Geißel geübt.

In dieser Zeit ließ die Gemeinde neben der Kirche ein Ehrenmal für die Opfer des Weltkrieges errichten. Am 17. Juli 1921 wurde es eingeweiht. Bei der Feier wirkte auch der Gesangverein mit.

 

Inzwischen waren im Frühjahr nun doch viele junge Männer dem Verein beigetreten, und so kam man Anfang des Jahres 1924 zusammen, um eine Neuordnung der Vereinstätigkeit zu besprechen. Ab jetzt sollte der Verein wieder als reiner Männerchor fortgeführt werden, so wie er im Jahre 1885 gegründet worden war. Auch konnten sich die damaligen Mitglieder auf keine Aufzeichnungen aus der Gründungszeit stützen wie Gründungsurkunde, Satzung oder Vereinschronik. Dies war in früheren Zeiten leider vernachlässigt worden. Der einzige, bis heute erhaltene schriftliche Nachweis über die Gründung ist ein Schriftstück aus der Zeit um die Jahrhundertwende, verfasst von Konrad Schwalm, dem jüngsten unter den damaligen Gründungsmitgliedern. So beschloss man am 14. Januar 1924, mit regelmäßigen Aufzeichnungen zu beginnen, eine Satzung aufzustellen und einen Vorstand zu wählen.

 

Hier die Namen der ersten Vorstandmitglieder sowie die Namen der 26 Sänger, welche im Januar 1924 dem Verein angehörten:

 

Vorsitzender:           Heinrich Bierwirth

 Stellvertreter:         Heinrich Kurz

 Schriftführer:          Heinrich Schwalm

 Stellvertreter:         Nikolaus Hahn

 Kassierer:                 Justus Hammer

 Stellvertreter:         Konrad Euler II.

 Beigeordnete:        Heinrich Fink, Johannes Weißmüller, Kaspar Euler

 Dirigent:                   Lehrer Heinrich Geißel

 

Tenor I                                      Tenor II

Bierwirth, Dietrich               Hahn, Heinrich

Billing, Johannes                 Schwalm, Konrad

Diehl, Georg                           Richhardt, Adam

Hahn, Georg                          Hahn, August

Euler Konrad I.                     Schade, Wilhelm

Bierwirth, August                Schwalm, Wilhelm

Weißmüller, Adam              Wind, Georg

Wind, Adam                           Euler, Johann Heinrich

                                                    Berg Jakob

 

 Baß I                                         Baß II

Lang, Konrad                        Quehl, Heinrich

Hahn, Konrad                       Hofmann, Heinrich

Schultheis, Valentin           Schmidt, Andreas

Hammer, Konrad

Hahn, Heinrich I.

Hahn, Andreas

 

 

Es wurde auch ein Beschluss über den Lohn für den Dirigenten gefasst. Er sollte 3 Mark monatlich einschließlich Stromgeld betragen. Das Eintrittsgeld eines jeden neuen Mitgliedes wurde auf 50 Pfennig, der Monatsbeitrag auf 20 Pfennig festgesetzt. Gesangstunden sollten nun zweimal wöchentlich stattfinden. Am 25. Juni 1924 beschloss man, 40 Vereinsabzeichen anzuschaffen, zum Preise von 75 Pfennig das Stück.

 

Am 28. März 1925 veranstaltete der Verein zu Ehren von Herrn Lehrer Geißel eine Abschiedsfeier. Geißel verließ Görzhain, da er vom 1. April an mit der Lehrerstelle in Hatterode beauftragt wurde. Sein Nachfolger im Lehramt wurde auch sein Nachfolger als Dirigent des Männergesangvereins. Es war Lehrer Wilhelm Schüler, geb. 18.1.1881. Seine Ernennung erfolgte am 3. Juni 1925. Den Verein hatte in der Zwischenzeit der 2. Vorsitzende Heinrich Kurz dirigiert.

 

Auch in den Nachbargemeinden kam das Vereinsleben in den zwanziger Jahren zur Blüte. Der Gesangverein "Liederkranz" Ottrau lud zu einem Sänger‑ und Fahnenweihfest am 13. Juli 1924 nach Ottrau ein. Die Görzhainer nahmen am Sängerfest in Ottrau teil und fanden somit den Weg zu einem überörtlichen Zusammenschluss. Am 7. Juni 1925 folgte man einer Einladung des Gesangvereins Eifa zum Sängerfest und zwei Wochen später, am 21. Juni 1925, kam es schließlich auf dem Bechtelsberg unter Beteiligung der umliegende Gesangvereine zur Gründung des Sängerkreises Bechtelsberg. Auch der Männergesangverein Görzhain trat dem neuen Sängerkreis bei. Die anderen Vereine waren Berfa, Eifa, Elbenrod, Hattendorf, Immichenhain und Ottrau.

 

In der 3. protokollierten Generalversammlung des Männergesangvereins Görzhain vom 15. Januar 1927 beriet man über einen Namen für den Verein. Die Anwesenden entschieden sich einstimmig für "Harmonie". Sie brachten damit zum Ausdruck, wodurch die Vereinsarbeit ihrer Meinung nach in erster Linie geprägt sein sollte.

 

In den nächsten Jahren beteiligte sich der Chor an den verschiedensten Veranstaltungen wie z. B. den alljährlichen Weihnachtsfeiern der Schulkinder am Heilig‑Abend in der Kirche, Theater‑ und Familienabenden der Gemeinde, Sängertreffen mit benachbarten Chören oder den Feiern am Ehrenmal zum Volkstrauertag. Bedingt durch die Mitgliedschaft im Sängerkreis Bechtelsberg wurden natürlich nun auch Sängerfeste, Liederabende und Vorsingetage dieser neuen Vereinigung besucht oder unter eigener Regie im hiesigen Saale veranstaltet.

 

In dieser Zeit allerdings ging die Mitgliederzahl des Vereins stark zurück. Waren es in den Jahren 1924 und 1925 noch 35 gewesen, so hatte der Verein Anfang der 30er Jahre nur noch 24 Mitglieder. Der Rückgang war die Folge von 25 Austritten in diesen Jahren, denen nur 14 Neuzugänge gegenüberstanden. Trotzdem konnte unter der Leitung von Lehrer Wilhelm Schüler weitergesungen werden, zumal der Verein ja immer noch 4 Sänger mehr hatte, als zu Zeiten seiner Gründung im Jahre 1885.

 

Das Jahr 1933 begann. Die Machtübernahme Adolf Hitlers und der NSDAP machte auch vor Görzhain und dem Männergesangverein nicht halt. Am 1. Mai 1933 sang der Verein zum Tag der nationalen Arbeit auf dem Festakt, den die SA bzw. NSDAP "auf Bergen" veranstaltete, die Lieder "Brüder, reicht die Hand zum Bunde" und "Wir grüßen dich, du Land der Kraft und Treue". Deutlich wurde der neue Wind auch durch die Pflanzung einer sogenannten "Hitler‑Eiche" im Rahmen dieser Feier. Der Verein sang hierzu "Wo gen Himmel Eichen ragen".

 

Doch längst nicht alle Mitglieder waren mit der neuen Richtung einverstanden, versuchte man doch, sogar Liedgut und Gesang im Verein von oben zu steuern. So kam es bereits am 15. Januar 1934 zur letzten Generalversammlung vor dem Zweiten Weltkrieg, auf der u. a. folgendes protokolliert wurde: " 1. Vom Mitteldeutschen Sängerbund kam die Aufforderung, pro Mitglied 0,02 M pro Monat mehr zu zahlen; 2. Der Dirigent sollte einen Lehrgang besuchen; 3. Sämtliche Lieder wurden vom Mitteldeutschen Sängerbund bestimmt. Die Mehrzahl der Mitglieder war gegen die Maßnahmen und kam zu dem Beschluss, den Verein ruhen zu lassen".

 

Man konnte damals nicht ahnen, wie lange diese Ruhe dauern würde. Die Verhältnisse um den Gesang änderten sich nicht. Vor allem aber fiel in diese Zeit der Vereinsruhe die größte Unruhe, die das deutsche Volk je in seiner Geschichte erfuhr. Der Zweite Weltkrieg riss Lücken in Familien, Freundschaften und Vereine. Auch aus dem Männergesangverein "Harmonie" Görzhain kehrten einige Mitglieder nicht mehr aus dem Krieg zurück.

 

Doch auch dieser schreckliche Krieg hatte gottlob ein Ende. Das Leben musste weitergehen und ging weiter. Vor allem in den zerbombten Städten war man mit dem Wiederaufbau beschäftigt.

 

Im Protokollbuch unseres Vereines können wir unter No. 65 auszugsweise lesen: „Und trotzdem wurde nach Beendigung des II. Weltkrieges der Wunsch nach Weiterbestehen des Gesangvereins wieder laut, und die alten Träger des früheren Vereins kamen im Februar 1949 zur ersten Versammlung zusammen. Der damalige Dirigent Herr Lehrer Schüler war in zwischen nicht mehr zur Verfügung des Vereins.“ (Anmerkung: Seine Versetzung in den Ruhestand erfolgte am 1. Mai 1937) „An seine Stelle trat Herr Lehrer Brand. Die ersten Gesangstunden verliefen nun in allem Eifer, galt es doch, Versäumtes nachzuholen. Schon kurze Zeit darauf erhielt der Verein bereits eine Einladung vom Gesangverein Berfa zu einem Liedertag. Die Einladung wurde angenommen. An diesem Treffen nahmen außer unserem Verein die Vereine Berfa, Eifa, Eudorf teil. Dieses Treffen war die erste Fühlungnahme zwischen den obengenannten Vereinen, welche sämtlich ihre Neugründung wieder durchgeführt hatten.“

 

In diesem und dem folgenden Jahr wurde allen Heimkehrern aus Kriegsgefangenschaft aus Anlass ihrer Rückkehr ein Willkommensständchen gebracht. Auf diese Weise und mit Worten der Ehrung wurde ihnen ein gebührender Empfang bereitet.

 

Aber nicht nur Kriegsheimkehrer aus Görzhain waren es, die hier empfangen wurden. Flüchtlinge und Heimatvertriebene, vor allem aus dem Osten, sowie auch Evakuierte (sog. „Ausgebombte“) suchten und fanden bei uns ein neues Zuhause. Mit einigen von Ihnen bekam der Männergesangverein neue Mitglieder, während für sie der Gesangverein eine gute Gelegenheit war, neben einer chorgesanglichen Heimat zusätzlichen Kontakt zur einheimischen Dorfbevölkerung zu finden.

 

Am 19. Januar 1952 hielt der Verein wieder zum erstenmal eine Generalversammlung ab. Die 39 anwesenden Mitglieder wählten einen neuen Vorstand. Weiterhin wurde beschlossen, den Dirigentenbeitrag von jährlich 10 DM auf 20 DM zu erhöhen sowie den Monatsbeitrag auf 30 Pfg. pro Mitglied. Dem Dorfältesten sollte von nun an jedes Jahr ein Geburtstagsständchen gesungen werden.

 

Die Jahresberichte der nächsten Jahre und Jahrzehnte sind geprägt durch Vielseitigkeit und zeugen von regem Vereinsleben. Da der neue Dirigent, Herr Lehrer Brand, bereits in der Schule, und zwar auch schon vor 1949, vierstimmige Lieder mit den Schülern einübte, fiel den sangeslustigen Schulabgängern der Eintritt in den Gesangverein nicht schwer. Damit brauchte man sich auch um die Nachwuchsfrage in dieser Zeit keine besonderen Sorgen zu machen.

 

Durch Lehrer Brand wurden Kontakte zu dessen Geburtsort Altenhaßlau und seinem Gesangverein geknüpft, was schließlich zu einer gegenseitigen Patenschaftsübernahme führte. Am 6. und 7. Juli 1952 besuchte man das dortige 90jährige Stiftungsfest. Die Begeisterung über die Teilnahme war Ansporn und Auftrieb für den Verein, Vorbereitungen für ein eigenes Sängerfest mit Fahnenweihe zu treffen, welches genau ein Jahr später stattfinden sollte. Der 29. November 1952 brachte den Kauf der Vereinsfahne. 27 Gesangvereine wurden zum Fest für den 4.-6. Juli 1953 eingeladen. Alle Bewohner des Dorfes beteiligten sich an den Vorbereitungen. Die Gastfreundlichkeit der Familien war vorbildlich, und auch das Fest nahm einen guten Verlauf. Vor allem fand auch der Festzug am Sonntag, dem 5. Juli bei den Gästen aus nah und fern großen Anklang. Als krönender Abschluss des Zuges wurde schließlich die Fahne, welche in ihrer Schutzummantelung von den Ehrendamen mitgetragen worden war, feierlich enthüllt und geweiht. Die Altenhaßlauer überreichten anlässlich dieses Ereignisses eine Patenschaftsschleife. Der Ausklang des Festes geschah am Montag mit einem Fahnenumzug durch das Dorf und einer abendlichen Tanzbelustigung auf dem Festplatz.

 

Der erste Vereinsausflug führte die Sänger am 15. August 1954 nach Bad Homburg, Frankfurt mit Zoo und Flughafen, zur Saalburg und schließlich auf die Kirmes nach Altenhaßlau in die Heimat des Dirigenten. Nur 4 Monate später ging Lehrer Brand erneut nach Altenhaßlau, diesmal jedoch, um auf eigenen Wunsch die dortige Lehrerstelle zu übernehmen und für immer dort zu bleiben.

 

Von Dezember bis Februar des folgenden Jahres leitete wiederum Heinrich Kurz den Verein. Dann übernahm der neue Lehrer Richard Gebhardt die Dirigentschaft. Unter seiner Stabführung war der Männergesangverein „Harmonie“ Görzhain Gastgeber beim ersten Liederabend des Bechtelsberg-Sängerkreises, der nicht wie sonst üblich in Berfa, sondern im hiesigen neuen Saal der Gastwirtschaft Euler stattfand.

 

Nur 2 ¼ Jahre hatte Gebhardt den Verein dirigiert, als er bereits im April 1957 nach Wasenberg versetzt wurde. Dort verstarb er, noch jung an Jahren, im Juli des gleichen Jahres an einer tückischen Krankheit.

All zu plötzlich kam auch für den Nachfolger Gebhardts die Vereinsübernahme. 21jährig war es für Heinrich Richhardt kein Leichtes, als er am 16. April 1957 das Werk der Görzhainer Lehrer fortführen sollte. Doch die Tatsache, dass er bis heute, also über 50 Jahre lang, den Verein ununterbrochen dirigiert hat und weiter dirigiert, zeugt von seiner glücklichen Hand im Umgang mit den Sängern und seinem Engagement in der Chormusik. Unter seiner Leitung blieb die öffentliche Anerkennung dem Görzhainer Männergesangverein weiter treu.

 

Am 28. Dezember 1959 wurde ein Tisch-Harmonium gekauft, welches seither den Dirigenten bei seiner Arbeit unterstützt. Neue Vereinsabzeichen, die ein weiteres Stück Verbundenheit demonstrieren sollten, wurden 1966 angeschafft. 10 Jahre später, am 13. März 1976, hatte der Verein seinen ersten Auftritt in einheitlicher Kleidung. In dunkler Hose, weißem Hemd und dunkelblauer Fliege besuchte man einen Theaterabend in Weißenborn.

Die letzten 25 Jahre im ersten Jahrhundert der Vereinsgeschichte brachte für die Gemeinde Görzhain u. a. die Einweihung der renovierten Kirche am 21. August 1960, den Neubau eines Schulgebäudes mit dessen Einweihung am 26. August 1967, die Einweihung der Schutzhütte mit Sportplatz „Auf Bergen“ am 26. August 1979 und die Einweihung des neuerbauten Backhauses am 10. Oktober 1981. Theateraufführungen unter der Regie von Paul Örtl (zu Lehrer Brandts Zeiten hatte dieser die Spielleitung gehabt) fanden großen Anklang im Dorf und darüber hinaus. Goldene und Diamantene Konfirmationen, Familien- und Weihnachtsfeiern wurden im Saal Euler veranstaltet. Der Männergesangverein ließ es bei allen öffentlichen Veranstaltungen und Feiern der Gemeinde an seiner Mitwirkung nicht fehlen und erfreute immer mit einer passenden gesanglichen Untermalung. Eine Selbstverständlichkeit waren und sind die Ständchen zu Jubiläen und festlichen Ereignissen der Mitglieder sowie die jährlichen Feiern am Totensonntag und das letzte Geleit für jeden verstorbenen Sangesbruder.

 

So fand auch die Feier am 29. November 1975 im Saal Euler anlässlich des 90jährigen Vereinsjubiläums einen würdigen Rahmen. Dorfchronist Heinrich Schwalm gab unter dem Motto „90 Jahre singendes Görzhain“ einen Rückblick auf die Vereinsgeschichte. Sieben Gastchöre – aus Weißenborn, Berfa, Ottrau, Immichenhain, Hattendorf, Elbenrod und Görzhain (Kirchenchor) – sowie die Akkordeongruppe Görzhain unter Leitung von Heinrich Kurz trugen neben dem gastgebenden Verein zur musikalischen Gestaltung des Abends bei.

 

Mit dem im Jahre 1974 gegründeten Kirchenchor fand am 17. April 1977 der erste gemeinsame Auftritt anlässlich einer Goldenen und Diamantenen Konfirmation im Saal Euler statt. Seither wurden immer wieder Sätze für gemischten Chor gemeinsam einstudiert und bei verschiedenen Anlässen zu Gehör gebracht.

 

Den wohl größten gesanglichen Erfolg seiner bis dahin gekannten Geschichte konnte der Verein bei dem eigenen Chorkonzert am 31. März 1979 in Görzhain verbuchen. Fünf Lieder von Franz Schubert und sechs Jagdlieder kamen zum Vortrag und zeigten den Chor in einer bis dahin wohl kaum gekannten Stärke und Leistungsfähigkeit. Gastchöre waren an diesem Abend der Gemischte Chor Weißenborn, der Männergesangverein Berfa, die Chorvereinigung Oberaula, der Männergesangverein Breitenbach a. H. und der Kirchenchor Görzhain.

 

Eine besondere Anerkennung für die gesamte bisherige Aktivität des Vereines war die Auszeichnung mit der Zelter-Plakette durch den Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker im 100sten Jahr seines Bestehens. Sie wurde dem MGV, vertreten durch seinen Vorstand Wilfried Schäfer im Rahmen des Hessentages in Alsfeld am 26. Mai 1985 in einer Feierstunde durch die damalige Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Dr. Vera Rüdiger, verliehen. An diesem Tag präsentierten sich die Sänger in neuer Vereinskleidung, nämlich in hellblauem Hemd, dunkelblauer Krawatte mit eingesticktem Violinschlüssel und dunkler Hose.

 

Das große 100jährige Jubiläumsfest fand vom 28. bis 30. Juni 1985 im Festzelt auf der Wiese an der Wegekreuzung An den Pappeln / Leutschweg statt: Freitagabend ab 18:00 Uhr Totenehrung mit Kranzniederlegung, Gesang und Gebet am Ehrenmal, ab 19:30 Festkommers mit Kurzchronik, Gastrednern und -chören und der Premiere des von MGV und Kirchenchor gemeinsam gesungenen Liedes „Die Post im Walde“ mit Wolfgang Schwalm an der Trompete, anschließend Tanz mit den Cu-Ro-Cas. Samstagabend Singen der Gastchöre im separaten Sängerzelt, anschließend Tanz mit den Cu-Ro-Cas. Sonntagmorgen ab 10:00 Uhr Festgottesdienst mit Pfarrer Schäfer aus Olberode und den beiden Görzhainer Chören, Frühschoppen und Mittagsverpflegung, ab 13:00 Uhr Singen der Gastchöre mit anschließendem Kaffee und Kuchen. Sonntagabend und Montagabend Ausklang. Zur Vorbereitung und Durchführung dieses gelungenen Festes waren aus fast jeder Görzhainer Familie Helfer zur Stelle. In den Vereinsaufzeichnungen lesen wir: „Die Zusammenarbeit war gut. Wenn es galt, war immer jemand da, der anpackte. Durch die große Hilfsbereitschaft der Görzhainer Bevölkerung kamen auch alle dazu, ein paar Stunden zu feiern und fröhlich zu sein. Mit Sicherheit war es ein großes Ereignis an welches wir uns noch lange gerne zurückerinnern werden.“

 

Neues Terrain betrat der Verein Mitte der Neunzehnhundertneunziger Jahre, als zunehmend Bitten an ihn herangetragen wurden, doch auch zu Hochzeiten und anderen Familienfesten bei Nichtmitgliedern zu singen. Einerseits waren die jährlichen Terminkalender durchaus gut bestückt, andererseits erinnerte man sich der Ziele des Vereins (Pflege und Verbreitung des Chorgesanges) und freute sich über das besondere Interesse, welches sicherlich als Kompliment zu verstehen war. Schließlich waren auch die zu erwartenden finanziellen Aufbesserungen der Vereinskasse mit ein Grund, den Anfragen soweit möglich zu entsprechen.

 

So weiß der Verein bis heute auch über die Dorfgrenzen hinaus sein gesangliches Können unter Beweis zu stellen. Auf Sängerfesten und Liederabenden der umliegenden Chöre in- und außerhalb des Sängerkreises Bechtelsberg ist der Männergesangverein 1885 „Harmonie“ Görzhain so oft es geht vertreten und unterstützt damit seine Gastgeber.

 

Das 110jährige Jubiläum wurde 1995 an zwei mal zwei Liederabenden im Saal Euler begangen. Am 9. und 10. Juni sowie am 3. und 4. November waren insgesamt 25 Chöre in Görzhain zu Gast und sangen und feierten mit dem Jubiläumschor.

 

Das 120 jährige Jubiläum konnte nicht am 28.10.u.29.10.2005 im Dorfgemeinschaftshaus Görzhain gefeiert werden, da unser Chorleiter an einer schweren Erkältung erkrankt war, man hat sich im Vorstand geeinigt dieses Fest nicht nachzuholen, sondern eine große Jubiläumsfeier zum 125 jährigen Bestehen durchzuführen.

 

27.11.2006 

Anlässlich des 50-jährigen Chorleiterjubiläums von Heinrich Richhardt im Jahr 2007, beantragte der 1. Vorsitzende  Klaus-Peter Kötter  die Verleihung des Ehrenbriefs des Landes Hessen 

 

30.05.2007 

Anlässlich der Verleihung des „ Ehrenbriefes des Landes Hessen „

an Heinrich Richhardt durch den Landrat des Schwalm - Eder Kreises

am Mittwoch 30.05.2007 gratulierten die Sänger des Männergesangverein 1885 “Harmonie“ Görzhain seinem Chorleiter recht herzlich mit einem Ständchen.

Nach dem Begrüßungslied “Harmonie“  (Harmonie führt uns zusammen, Harmonie hält uns vereint) unter Leitung des stellvertretenden Chorleiter Knut Grein, bedankte sich der 1. Vorsitzende Klaus-Peter Kötter bei H. Richhardt für sein Engagement und seinem enormen Einsatz für den Verein und stellte heraus, wie schwer es ist über solange Zeit (50 Jahre aktiver Chorleiter) immer und immer im Einsatz zu sein.

Anschließend bedankte er sich mit Blumen bei dessen Ehefrau Irene Richhardt, der dieses Engagement viel Verständnis abverlangte.

 

Am 15.12.2009 beantragte der 1. Vorsitzende  Klaus-Peter Kötter für Herrn Heinrich Richhardt

die Verleihung des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

 

Samstag, 03. November 2012

Verleihung des Verdienstkreuzes am Bande der Bundesrepublik Deutschland
Herr Heinrich Richhardt wurde von dem Bundespräsidenten Herrn Joachim Gauck das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Die Verleihung nahm Herr Staatsekretär Mark Weinmeister vor. Mit der Auszeichnung wird das Lebenswerk von Herrn Heinrich Richhardt gewürdigt.

 

Die Eckpunkte seines unermüdlichen ehrenamtlichen Engagements sind:

  • 55 Jahre Chorleiter des Männergesangverein 1885 "Harmonie" Görzhain.
  • Im MGV "Liederkranz" Kirchheim wurde die Chorleitertätigkeit ebenfalls über viele Jahre ausgeübt.
  • 35 Jahre Kreischorleiter des Bundessängerkreises "Bechtelsberg".
  • Kommunalpolitisch war Herr Richhardt im Ortsbeirat Görzhain tätig.
  • Den Ehrenbrief des Landes Hessen erhielt Herr Richhardt in 2007.

 

Auszeichnungen der Gemeinde Ottrau sowie des Deutschen- und Hessischen Sängerbundes schließen sich an.
In den Festreden wurde deutlich, dass die Verleihung des Verdienstordens ein Zeichen setzt.

 Ein Zeichen dafür, wen oder was unsere Gesellschaft schätzt und was ihr wichtig ist.

 

Herr Richhardt hat immer die Initiative ergriffen und mit Gestaltungskraft und Kreativität die Umsetzung vorangetrieben.